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Der dicke Dichter ist liebenswürdig und gutmütig, er hat seine wohlbehüteten Abgründe und seine stillen Leidenschaften, und er lebt in der Stadt der Gegenwart, in Berlin, also am Puls der Zeit, die vergeht, ohne daß er ihr etwas abzugewinnen vermag.Der dicke Dichter hat einen lieben Freund auf dem Land, eine Geliebte in der Stadt, und er hat Severinchen, für die er all seine (bösen) Phantasien in schöne, knappe Geschichten kleidet. Der dicke Dichter ist mit allen uns so liebgewonnen Attributen der Wohlstandsgesellschaft gesegnet: Er ist dick, leidet an Schlaflosigkeit, hat mit seinem Blutdruck, seinem Herzen zu kämpfen, seinen Hemmungen begegnet er mit dem Großstadtroman, der fertig in seinem Kopf zu finden und nur noch aufs Papier zu bringen wäre. Der dicke Dichter hat all das, wofür wir die Menschen so lieben. Der dicke Dichter ist ein ganz normaler Dichter. Nur, der dicke Dichter ist eine Figur im neuesten Roman von Matthias Zschokke. Das unterscheidet ihn entschieden von all den anderen dicken Dichtern dieser Welt. Wir lesen die Blätter des dicken Dichters, der sich an seinen lieben Freund auf dem Land wendet, uns von seiner Geliebten erzählt, mit der er isst und spricht und schläft. Für Severinchen erfindet er Geschichten - ganz Dichter -, wahre und erfundene, kurze, immer bitterschöne Geschichten aus der verfallenden Welt. Severinchens Hunger ist nicht zu stillen, sie ist frech und unnachgiebig, denn sie steigt aus seinem Kopf und setzt sich neben ihn und hetzt und treibt ihn zu immer neuen Erzählungen. Doch mitten im Roman entschwindet der Dichter, er stirbt, wie so einer halt zu sterben hat, schnell und schmerzlos in einem Bahnhofsrestaurant. »Was hier vorliegt ist sein Nachlaß. Auf dem obersten Blatt steht: So erging es mir, und davon will ich berichten.«