Die Studie beschäftigt sich mit der Darstellung der Kreuzigung und des Kreuzestodes Christi in verschiedenen lateinischen und deutschsprachigen Passionstraktaten des Spätmittelalters, darunter unedierte Texte, die von der Forschung bislang nur wenig beachtet worden sind (u.a. die Traktate des Johannes von Zazenhausen). Durch die Analyse der einzelnen Motive im Kontext der Kreuzigung wird ein Beitrag zur Erforschung des "passionsgeschichtlichen Allgemeinguts" dieser Epoche und insgesamt zum Verständnis der geistlichen Literatur wie auch der spätmittelalterlichen Kunst geliefert. Eine besondere Berücksichtigung erfährt die Vorstellung des Lanzenstichs vor dem Tod, die in der Literatur bis ins 15. Jahrhundert nachweisbar ist.
Insgesamt wird deutlich, dass die narrative Ausgestaltung der Kreuzigung in der geistlichen Literatur vom 13. bis zum 15. Jahrhundert eine deutliche Entwicklung genommen hat und nicht nur auf die Figuralexegese des Alten Testaments und ihre Transformation in Erzählung, sondern auf unterschiedliche Quellen zurückzuführen ist. Die drastischen Passionsdarstellungen des späten 14. Jahrhunderts stehen nicht am Ende, sondern erst am Anfang einer Tradition, die über die Reformation hinaus bis in die Frühe Neuzeit reicht und partiell bis heute das Bild von der Passion und Kreuzigung Christi nachhaltig geprägt hat.