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Die Frage nach der wirtschaftlichen Integration in Europa stellt sich nicht erst heute. In historischer Perspektive sind es vor allem die Nationsbildungsprozesse, die zur Frage nach dem Zusammenhang mit Prozessen wirtschaftlicher Integration führen. Für die multinationale Habsburgermonarchie aber folgte daraus im 19. Jahrhundert eine Wirtschaftspolitik, die versuchte, die materiellen Interessen des sonst so heterogenen Staates zu vereinheitlichen und dadurch entsprechende politische Folgewirkungen zu erzielen. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Lombardei. Diese wirtschaftliche Kernregion Zentraleuropas kam nach 1815 zu Österreich, wo sie in die gesamtösterreichische Integrationspolitik eingebunden wurde. Für die Lombardei bedeutete das teilweise eine Umorientierung der wirtschaftlichen Prioritäten: das protektionistische Wirtschaftssystem Österreichs strebte nach Autarkie und schützte insbesondere die Industrieproduktion, während die kommerziell ausgerichtete Wirtschaftsstruktur der Lombardei eher auf deren komplementäre Einbindung in den internationalen Markt mit nur wenigen Spezialprodukten (vor allem Seide) orientiert war. Folglich kam es in der Lombardei zu Interessenkonflikten, gleichzeitig mußte aber auch die Regierung in Wien einsehen, daß sich die Außenhandelsbeziehungen der Lombardei nicht völlig zum Österreichischen Markt hin umlenken ließen. Darauf wurde mit fallweisen Ausnahmen im Zollsystem und durch Handelsverträge mit den italienischen Nachbarstaaten Rücksicht genommen. Grundsätzlich blieb die Ausgangsposition der Lombardei aber die einer "normalen" österreichischen Provinz, was sich u. a. in der Durchsetzung staatlicher Interessen beim heißumkämpften Eisenbahnbau ausdrückte. Wenn letztlich eine dichte Vernetzung der lombardischen Wirtschaft mit den Zusammenhängen des österreichischen Marktes nicht gelang, so lag das nicht an der gleichzeitigen Formation der italienischen Nation, wie die weiterhin eigenständige Rolle Norditaliens mit der Lombardei an der Spitze innerhalb der italienischen Wirtschaft zeigt. Denn die österreichische Wirtschaftspolitik konnte zwar einige Akzente setzen und z. B. durch die zollmäßige Bevorzugung der Industrie den Technologiegehalt der Produktion in der Lombardei steigern; insgesamt konnte aber der Charakter der Lombardei als Wirtschaftsregion nicht entscheidend verändert werden. Dementsprechend sah man sich in der Lombardei auch in fast allen wirtschaftspolitischen Debatten als relativ eigenständige Einheit und nicht als Teil eines größeren Ganzen. Weder auf der Ebene der wirtschaftspolitischen Diskussion noch auf jener der "realen" Entwicklung war daher die Lombardei eindeutig einem größeren Wirtschaftsraum zuzuordnen. Das gilt für den italienischen Nationalstaat aber ebenso wie für die Habsburgermonarchie.