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Joris-Karl Huysmans (1848-1907) ist heute vor allem als Erfinder des versponnenen Dandys und Exzentrikers Jean Floressas des Esseintes bekannt, der sich im Roman »Gegen den Strich« von der Wirklichkeit abwendet, um ein rein ästhetisches Leben in einem eigens dafür eingerichteten Haus zu führen, in dem u.a. eine juwelenbesetzte Schildkröte auf dem Teppich herumspaziert und das Schlafzimmer mit Schreckensbildern geschmückt ist. Huysmans hat in seinen Erzählungen auf der anderen Seite die trostlose Leere des Angestelltendaseins in einer Weise geschildert, die wie die fahle Kehrseite zur sinnenberauschenden Kunstwelt Des Esseintes' erscheint. Eine solche Erzählung ist »Ein Dilemma« und das Dilemma ist die zynische Wahl, vor die der Notar Le Ponsart die schwangere Geliebte des verstorbenen Sohnes seines Mandanten stellt: Entweder sie akzeptiert, nur Jules' Haushälterin gewesen zu sein, bekommt ihren ausstehenden Lohn, erhebt keinen Anspruch auf Unterhalt für ihr Kind und verschwindet. Oder sie beharrt darauf, dass sie seine Geliebte war und von ihm schwanger ist und hat Anspruch auf - gar nichts. Weibliche Solidarität und Mitmenschlichkeit in Gestalt der Schreibwarenhändlerin Champagne, die sich für die junge Frau einsetzt, kommen nicht an gegen die Unerschütterlichkeit bourgeoiser Selbstgerechtigkeit. Mit beißender Ironie schildert Huysmans in dieser 1887 erschienenen Erzählung, wie die als bürgerliches Recht bemäntelte Macht, die autoritäre Sprache als Waffe benutzt, hartherzig und rücksichtslos eine schwangere Näherin in ihr Verderben stürzt.Schlaflosreihe:Unbekannte und vergessene Texte - phantastische Hirngespinste, erotische Erzählungen, märchenhafte und verrückte Gedankenspiele, diese Reihe bietet den Stoff, aus dem die schlaflosen Nächte gewoben sind. Im Taschenlampenkegelformat und schön gestaltet, laden sie zum Träumen ein, wenn die Stunden vorüberrieseln und der Schlaf nicht kommen will. Märchen, Essays, Gruselgeschichten, Erzählungen - wofür am Tag die Zeit zu kurz ist und dafür die Nacht sich dehnt.Herausgegeben von Roman Lach.