Der Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit und die Ablösung verschiedener Schriftsysteme bis zu ihrer Perfektion in der alphabetischen Schrift der Griechen bedeutet mehr als einen technologischen Wandel der Kommunikationsmedien. Die Abstraktionsleistung, die zur Erfindung der Schrift, besonders der phonetischen, nötig ist, hat bestimmte soziale Voraussetzungen. Umgekehrt beschleunigt der tägliche Gebrauch der Schrift soziale Veränderungen, da der Kopf von der Mühe des Gedächtnisses befreit und für konzeptuelles Denken frei wird. Von den kulturellen Einbußen und Gewinnen, die die Vollendung der Schriftlichkeit mit sich bringt, ist die europäische Zivilisation geprägt: den Verlust an Unmittelbarkeit bei der Ablösung der mündlichen Rede durch die schriftliche Aufzeichnung hat bereits Plato beklagt; das Bewahren und damit Veralten der fixierten Texte läßt jedoch zugleich ein kritisches Bewußtsein entstehen und bezeichnet den Beginn der geschichtlichen Erfahrung, die das Vergangene vom Gegenwärtigen zu scheiden weiß.