Otto F. Kernberg untersucht, wie in Zweierbeziehungen die individuelle Psychopathologie der Partner dazu führen kann, daß in ihrer gemeinsamen Sexualität Narzißmus, Masochismus, Sadismus oder eine Über-Ich-Pathologie die Oberhand gewinnen, und illustriert diese Fehlentwicklungen mit Fallbeispielen aus seiner Praxis.
Doch auch die gelingende, reife Liebesbeziehung mit einer erfüllten gemeinsamen Sexualität begreift Kernberg als einen heiklen Balanceakt. Denn in ihr werden zwangsläufig verinnerlichte Objektbeziehungen aus der Kindheit wach, die zur Reinszenierung mit dem Partner drängen und in destruktive Konflikte münden können. Andererseits kann die sexuelle Beziehung nur lebendig bleiben, wenn die Liebenden fähig sind, im - meist unbewußten - Einverständnis miteinander auf polymorph perverse Aspekte der kindlichen Sexualität zurückzugreifen. Ebenso unumgänglich ist das subtile Wechselspiel von Liebe und Aggression zwischen den Partnern.
Vor allem aber gründet eine reife Liebesbeziehung auf der Überwindung ödipaler Ängste und Hemmungen und in dem Wagnis, die im Unbewußten verbotene Identifizierung mit dem ödipalen Paar, also mit den eigenen Eltern, einzugehen und zu überwinden. Auch dieser Schritt birgt Konfliktstoff: Eine erfüllte Sexualität bringt das Paar in Opposition zu seinem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld, das stets von einem konventionellen, aus der Latenzphase stammenden Moralempfinden beherrscht wird.