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Martin Buber gehörte zu den großen Denkern unserer Epoche. Er wurde 1878 in Wien geboren und starb 1965 in Jerusalem nach einem bewegten und schöpferischen Leben. Sein Denken und Schaffen war bestimmt von den Einflüssen dreier unterschiedlicher Kulturen: der ostjüdischen, in der er aufwuchs, der deutschen, die seine Studienzeit prägte, und der jungen hebräischen Kultur, die im damaligen Palästina und später in Israel aufblühte.
Seine Lehrer in Deutschland, die sein Werk beeinflußten, waren der Philosoph Wilhelm Dilthey und der Soziologe Georg Simmel. Bubers Werk ist aufgrund seiner Originalität und seiner ungewöhnlichen Sprache schwer in den traditionellen Fächerkanon einzuordnen. Es befaßt sich hauptsächlich mit philosophischen Problemen, bezieht aber auch Gebiete wie die Soziologie, die jüdische Theologie, den Chassidismus, die Erziehungswissenschaft und Psychotherapie mit ein. Gemeinsam mit dem Marburger Philosophen Franz Rosenzweig übersetzte er das alte Testament neu in die deutsche Sprache und schuf so die Grundlage für eine tiefgreifende sprachliche Erneuerung.
Aber auch politisch war er sehr aktiv. Er war einer der führenden Repräsentanten jener zionistischen Richtung, die Palästina nicht in erster Linie als politische, sondern als kulturelle Heimstatt des jüdischen Volkes begriff, von der aus eine Erneuerung der jüdischen Kultur ausgehen sollte. Besonders wichtig war für ihn die friedliche Zusammenarbeit zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung. Er befürwortete einen binationalen Staat, in dem alle Staatsbürger gleiche Rechte haben sollten.
Als Soziologe in Berlin wirkte er ab 1906 als Herausgeber der soziologischen Reihe »Die Gesellschaft«, die insgesamt vierzig Bände umfaßt. Die meisten der damals tätigen Soziologen sind darin mit einem Band vertreten. Nach seinen soziologischen Studien beschäftigte er sich mit dem Chassidismus, einer vor allem in Polen verbreiteten religiösen Richtung, deren Grundüberzeugung er in einem Satz zusammenfaßte: »Gott ist in jedem Ding zu schauen und durch jede reine Tat zu erreichen.«
Nach dem ersten Weltkrieg ließ er sich in Heppenheim an der Bergstraße nieder, bis ihm die Nationalsozialisten 1938 jede Tätigkeit verboten. Danach erhielt er einen Lehrstuhl für Sozialphilosophie an der Hebrew University in Jerusalem und verließ Deutschland.
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht Bubers 1923 veröffentlichtes philosophisches Hauptwerk »Ich und Du«. In sprachphilosophischer Hinsicht werden darin bereits Probleme angesprochen, die erst später mit der »sprachanalytischen Wende« systematisch behandelt wurden. Buber deckte die erkenntnistheoretische und allgemeinphilosophische Bedeutung der Sprachanalyse auf. An Stelle der Subjektphilosophie des deutschen Idealismus betont er die Intersubjektivität und ihre Rolle im ontologischen, erkenntnistheoretischen und methodologischen Diskurs. In seiner Dialogphilosophie ersetzt er das Bewußtsein als grundlegendes Element der Erkenntnis durch die Sprache und die Subjekt-Objekt-Beziehung durch die Subjekt-Subjekt-Beziehung. Das dialogische Prinzip, das er in »Ich und Du« entwickelte, hebt die grundlegende Bedeutung der Beziehung zwischen einem Ich und einem Du hervor. Ohne ein Du entsteht kein Ich. Buber unterscheidet zwischen der Ich-Du-Beziehung, wobei beide als gleichberechtigte Subjekte auftreten und einander beeinflussen, und der Ich-Es-Beziehung, in der das Subjekt Ich das Es zum Objekt macht. In religiöser Sicht ist die dialogische Beziehung zwischen einem Ich und dem ewigen Du grundlegend. Eine dialogische Beziehung ist immer gegenseitig. Deshalb braucht, wie Buber betont, nicht nur der Mensch Gott, sondern Gott auch den Menschen.