Erased de Kooning Drawing ist ein Kunstwerk, das auf radikale Weise die Definition von Kunst und das Verständnis von Autorschaft herausfordert. Drei amerikanische Künstler waren 1953 an seiner Erschaffung beteiligt: Robert Rauschenberg radierte eine Zeichnung Willem de Koonings aus, der mit einem gewissen Widerwillen sein Einverständnis gegeben hatte. Jasper Johns versah es anlässlich seiner ersten Präsentation mit einem Label, das maßgeblich zu seiner Wahrnehmung als eigenständigem Werk beitrug. Das zu etwas Neuem transformierte Blatt wurde in den 1950er-Jahren als Neo-Dada aufgefasst, in den 1960ern als Beginn der Konzeptkunst und in den 1980er-Jahren als Aufbruch in die Postmoderne. Zahlreiche Künstler*innen bezogen sich auf das Werk und Rauschenberg selbst griff es immer wieder auf. Es erwies sich als Testfall für Bestimmungen von Modernismus, Literalismus und Postmodernismus. Gregor Stemmrichs kenntnisreiche kunsttheoretische Betrachtung arbeitet die anhaltende Relevanz des Werks für die Theorie des Bildes, des Index, der Spur, des Allegorischen und der Frage nach Appropriation heraus.
GREGOR STEMMRICH (*1953, Soest) ist seit 2015 Professor of Art and Art History an der NYU Abu Dhabi. Zuvor hatte er Professuren an der Freien Universität Berlin und an der Hochschule für Bildende Künste Dresden inne. Schwerpunkt seiner Publikationen ist die Kunstentwicklung nach 1945: Er ist Mitherausgeber der Interviews und Texte von Lawrence Weiner sowie Dan Graham und publiziert zu abstrakter Kunst, Minimal Art und Konzeptkunst.