Solsbüll: einer der großen Deutschland- und Familienromane des 20. Jahrhunderts.
Solsbüll ist ein Städtchen im nördlichen Schleswig-Holstein, tiefste Provinz und doch ein Ort, in dem die großen Ereignisse des 20. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen. Dort verknüpfen sich die Lebensgeschichten dreier Generationen, verkörpert in drei Männern, die als Großvater, Vater und Sohn denselben Namen tragen: Gustav Hasse. Während die ersten beiden in den Weltkriegen fallen, überlebt der 1941 geborene dritte Gustav und wächst in einem Hebammen-Haushalt auf.
Im Schicksal zweier Frauen, seiner Großmutter Anne und seiner Ziehmutter Gret, spiegelt sich die Zeit: Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg erleben die beiden Hebammen Aufstieg und Blüte des Nationalsozialismus und sein katastrophales Ende. Sie sehen bei Freunden und Nachbarn Opportunismus und Feigheit, erleben Treulosigkeit, Hass und Gewalt. Beide sind nicht im Widerstand aktiv, tragen aber ihr Herz auf dem rechten Fleck und schöpfen auch Kraft aus dem Beruf: Jedes neugeborene Leben ist einzigartig, also kostbar. Und so handelt der Roman nicht nur von Mitläufern und Mördern, sondern auch von Liebe, Widerspruchsgeist und kleinen Heldentaten der Menschlichkeit.
Jochen Missfeldt, der wie Faulkner einen Landstrich zum Schauplatz seiner Bücher macht, hat mit "Solsbüll" einen Deutschlandroman vorgelegt, dem eine ähnliche Bedeutung zukommt wie der "Deutschstunde" von Siegfried Lenz und der "Blechtrommel" von Günter Grass. Und doch ist er 1989, als er in einem kleinen Verlag erstmals erschien, in den Wirren des Mauerfalls kaum beachtet worden. Nun lässt sich die hoch aktuelle Geschichte einer Familie, die in einer Gesellschaft von lauter Wendehälsen aufrecht bleibt, endlich wiederentdecken. Dass Jochen Missfeldt - wie Ijoma Mangoldt in der Süddeutschen Zeitung schrieb - "von den großen Sprachbegabungen der deutschen Gegenwartsliteratur eine der unbekanntesten" ist, das war einmal.