« Ein Wunder - so riesig und grazil zugleich ! » staunte Victor Hugo beim Anblick des Straßburger Münsters. An Höhe übertrifft nur die Kathedrale von Rouen dieses Meisterwerk mit seinem 142 m hohen Nordturm aus braunrotem Sandstein. Die Errichtung über den Fundamenten der Kathedrale Werinhers (begonnen 1015) dauerte von der Mitte des 12. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Ist die Apsis noch der Romanik verhaftet, steht das Langhaus ganz im Zeichen der Gotik, jener damals neuen Baukunst aus dem Frankreich Ludwigs des Heiligen.
Mit ihren zahllosen Galerien, Fialen und Arkaturen ist die prachtvolle Westfassade ein architektonisches Gesamtkunstwerk von höchster Virtuosität. Ihre Portale und die Fensterrose vermitteln eine Vorstellung vom Selbstbewusstsein jenes Straßaburger Bürgertums, das die Leitung der Bauarbeiten im 13. Jahrhundert von Bischof und Domkapitel übernahm.
Religiöse Reformen, politische Verwerfungen und liturgische Neuerungen, Naturkatastrophen und Kriege konnten dem Wesen des Münsters und der Fülle seines Schmucks kaum etwas anhaben. Zu seiner differenzierten Plastik, deren zentrale Themen die Erlösung des Menschen und die Verherrlichung Mariens sind, gehören einmalig schöne Ensembles wie der « Engelspfeiler », die Statuen und Statuetten der Portale und der einstige Lettner. Die Glasmalereien der Fenster zählen zu den gelungensten Beispielen mittelalterlicher Bildzyklen. In der Ausstattung der Innenräume, vor allem der berühmten Astronomischen Uhr mit ihren Figurenspielen, ist auch der Humanismus gegenwärtig.