Das Wirken prosodischer Faktoren bei der Differenzierung mündlicher Textsorten erscheint intuitiv naheliegend, die Erfassung und Analyse einzelner Parameter ist jedoch komplex und methodisch nicht unproblematisch. Dabei handelt es sich um Faktoren, die beispielsweise die unmittelbare prosodische Zuordnung von Nachrichten gegenüber einer Erzählung im Radio auch bei eingeschränkter Hörwahrnehmung ermöglichen.
Welche Faktoren sind als konstitutiv für eine solche Textsortenprosodie anzusehen? Die Studie untersucht diese Fragestellung auf der Grundlage eines Korpus italienischer und französischer Aufnahmen der Textsorten Märchen (fiaba) und Radionachrichten (giornale radio, radiojournal). Als besonders bedeutende Elemente für die Differenzierung textsortenprosodischer Muster werden die temporalen Parameter Pausen, Flüssigkeit, Sprechtempo sowie die intonatorische Gliederung identifiziert. Nach einem Überblick der Forschungsliteratur zu der bisher oft nicht konsequent verfolgten Thematik werden in einer detaillierten empirischen Untersuchung grundlegende textsortenprosodische Muster ermittelt und anhand eines Wahrnehmungsexperiments überprüft. Die Ergebnisse liefern starke Indizien für eine kognitiv-kommunikativ relevante prosodische Markierung von Texttypen und werden abschließend in den allgemeineren theoretischen Zusammenhang von Sprach- und Textwahrnehmung gestellt.