Mit dem Thema "Körpergedächtnis" wird ein Problem in den Blick genommen, das für die abendländische Kultur zentral ist: die Beziehung von Körper und Geist. Denn das Gedächtnis wird seit jeher an der Schnittstelle physiologischer und mentaler Prozesse angesiedelt. Die Autorinnen und Autoren des Bandes fokussieren den Körper als Medium des Gedächtnisses unter zwei Gesichtspunkten: Sie fragen einerseits nach den Institutionen und Praktiken der Zurichtung des Menschen und damit (im Anschluss an Nietzsche) nach der gewaltsamen Einübung eines körperlichen Gedächtnisses; der Körper erscheint hier als kulturelles Gedächtnis sozialer Disziplinierung. Andererseits thematisieren sie den kranken und/oder leidenschaftlichen Körper (mit Freud und Warburg) als affektives Gedächtnis eines Anderen der Kultur, d.h. als Artikulationsmedium des im Zivilisationsprozess Unterdrückten und Ausgegrenzten. Übung und Affekt, die beiden Leitbegriffe des Bandes, gehören dabei eng zusammen: Im selben historischen Prozess, in dem sich die als körperlich-seelische Einheit verstandene Übung zur rein körperlich-mechanischen Disziplinierung verengt, erscheinen die Leidenschaften als Symptom jener verlorenen Einheit, die gleichwohl von Anfang an eine bloß imaginäre war.