Umwelt im Roman gewährt Einblicke in die gesellschaftliche Wahrnehmung von Umweltrisiken und deren soziale Auswirkungen während der ersten Industrialisierung. Mit ihrem Buch sucht Agnes Limmer-Kneitz nach den Wurzeln unseres modernen ökologischen Bewusstseins in den kulturellen Hinterlassenschaften des »langen 19. Jahrhunderts«. Dazu bedient sie sich prominenter Fallbeispiele aus Europa und den Vereinigten, die sich jeweils um einen realistischen Roman entwickeln, der damals eine primäre Unterhaltungsfunktion übernahm. Charles Dickens, Wilhelm Raabe und Upton Sinclair werden mit öko-kritischer Brille gelesen, wodurch eine deutliche Kritik an den Missständen der Zeit sichtbar wird. Künstlerisch zeigt sich das intellektuelle Aufbegehren in einem experimentellen, fast naturalistischen Schreibstil, der als stilbildend gelten kann. Gleichzeitig warten die Schriftsteller mit Lösungsvorschlägen für die risikobeladenen Umweltzustände auf, in deren Zentrum ein gesellschaftlicher Umbau steht. Umweltprobleme und soziale Missstände sind nur gemeinsam lösbar, das hatten die aufmerksamen Zeitgenossen der Industrialisierung erkannt. Allerdings fehlte der politische Handlungsspielraum für Umweltbewusstsein, das folglich keine gesellschaftliche Breitenwirkung erzielte. Die von der Autorin vorgenommene Neuinterpretation der Klassiker stützt sich auf Quellen aus persönlicher Korrespondenz oder behördlichen Akten. Damit leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zum bunten und abwechslungsreichen Bild der Großelterngeneration modernen ökologischen Denkens und Handelns.