Die Frage nach der Vollkommenheit ist seit der Antike grundlegend für Kunst und Literatur. Als Ideal, das seine Unerreichbarkeit stets mitthematisiert, entfaltet Vollkommenheit eine produktive Dynamik und eröffnet den Künsten Möglichkeiten ästhetischer Reflexion sowie einen symbolischen Raum für die Aufnahme und Verwandlung philosophischer Ideen.
Die Beiträge des Bandes aus den Fächern Anglistik, Romanistik, Germanistik und Theologie betrachten dieses Zusammenwirken philosophisch-religiöser Vorstellungen des Vollkommenen mit seinen Figurationen in der Literatur - von den Kirchenvätern über Gottfried von Straßburg, Dante, Petrarca und Shakespeare bis hin zu Andrew Marvell -, und sie fragen nach den Transformationen, die Vollkommenheitskonzepte wie Kunstwerke dabei erfahren. Der Band untersucht, wie Perfektion und Perfektibilität Literatur und Kunst bestimmen, wie sie ihrerseits von ihren Realisierungen bestimmt werden und welche Rolle das Bewußtsein der Kunst von ihrer eigenen Unvollkommenheit dabei spielt. Zur Diskussion steht nicht zuletzt, wie sich das transzendente Vollkommenheitsideal zur poetischen Diesseitigkeit der Texte und deren Strukturen verhält. Wie also wird der ontologisch-theologische Begriff des Vollkommenen in eine kunstimmanente Figur umgesetzt und übersetzt und wie verändert er sich dabei?