Das Gedächtnis eines ganzen Volkes: Die Erzählung vom Leben der Lappen. Das Zeugnis einer archaischen Lebensform und ihrer Bedrohung durch die moderne Zivilisation. Johan Turi ist 1854 geboren, zu einer Zeit, da die Verfolgung und Vertreibung seines Volkes aus den angestammten Jagd- und Weidegründen im hohen Norden Finnlands und Norwegens ihren Anfang nahm. Sein einziges - und einzigartiges - Buch hat er jahrzehntelang im Sinn gehabt, ehe es niedergeschrieben wurde. Johan Turi stellt die Welt der Jäger und Nomaden vor: ihre Überlebenstechniken, ihre Medizin, ihr Naturverständnis, ihren Glauben, ihre Geschichte, ihre Literatur, und das heißt, ihre Sagen, Gebete und Lieder. Was heißt es, und wie geht es zu, wenn eine ganze Gesellschaft auf die Symbiose mit einem Tier, dem Ren, angewiesen ist? Wie schützt man die kleinen Kinder vor Kälte? Wie erwehrt man sich der Beamten, die ein fremder König sendet? Wie jagt man Wölfe? Dieses Leben will er den skandinavischen Nachbarn erklären, die die Lappen wie »streunende Hunde« behandeln. Dabei wird er, ohne es zu wollen, zum Dichter. Eine eigentümlich klare, nüchterne Poesie durchdringt seine Erzählung: »In den alten Zeiten«, sagt er, »redeten alle Dinge, alle die Tiere, die Bäume und die Steine, und so werden sie wieder zu reden anfangen am Tag des Jüngsten Gerichts.« Johan Turi war schon über fünfzig Jahre alt, als er eine dänische Künstlerin traf, die nach Lappland gezogen war; sie hat ihn zur Niederschrift seines Buches ermutigt, sie hat es übersetzt und kommentiert und dafür gesorgt, dass es 1910 in einer zweisprachigen Ausgabe gedruckt wurde. Heute gilt es als Klassiker eines Volkes, das sich heute seinen alten Namen zurückerobert hat. Es nennt sich die Samen. Eine Wiederentdeckung der Anderen Bibliothek zum Buchmessenschwerpunkt Finnland in Frankfurt 2014.