Die Gnomai in den Epinikien des griechischen Chorlyrikers Bakchylides haben als vermeintlich konventionelles Beiwerk in der Forschung bislang wenig Interesse gefunden. Im Anschluss an ein zunächst entwickeltes Gattungsmodell des Epinikions weist Stenger in Einzelinterpretationen nach, welch zentrale Bedeutung den Gnomai für die Sinnkonstitution im Siegeslied zukommt. Da die Gnomik im Wesentlichen ethisch-moralische Werte vor einem größeren Publikum vertritt, ordnet er sie in einem zweiten Schritt in den zeitgeschichtlichen Kontext des jeweiligen Liedes ein. Erst diese konsequente Historisierung zeigt, dass Bakchylides seine Gnomai geschickt an die verschiedenen soziopolitischen Gegebenheiten und den Erwartungshorizont seines Auditoriums anpasst.
Diese Beobachtungen lassen den Kommunikationsprozess chorlyrischer Dichtung zwischen dem Epinikiendichter, seinem Auftraggeber und dem Publikum in einem neuen Licht erscheinen.