Deutet die zunehmende Ausweitung und Verflechtung deutschsprachiger Erinnerungsnarrative auf eine Aufsplitterung des Kollektivs hin, oder signalisiert sie vielmehr die Entstehung einer neuen, transnationalen und transkulturellen Form von Gemeinschaft? Inwiefern vermag die kritische Perspektivierung der Vergangenheit, die in den untersuchten Werken zu verzeichnen ist, über Erinnerungskonkurrenzen und Opferwettbewerb hinauszuführen und einem "solidarischen" Erinnern Raum zu machen?
Diesen Fragen geht der Band nach, indem er die Herausforderungen beleuchtet, die neuere Werke der Kunst und Literatur an die Erinnerungskultur stellen. Kreisten die Untersuchungen zum Holocaust-Gedächtnis in der deutschen Literatur lange Zeit ausschließlich um die Gegenüberstellung von Tätern und Opfern und um die Frage der Schuld, so sind heute neue Begrifflichkeiten und Denkmodelle notwendig.
Über das titelgebende, von Marianne Hirsch entwickelte Konzept der postmemory hinaus werden Ansätze aus der neueren Gedächtnisforschung sowie aus den Bereichen Traumaforschung, Holocaust studies und postcolonial studies diskutiert. Als hilfreich erweisen sich insbesondere die von Michael Rothberg geprägten Begriffe multidirectional memory und implicated subject, die Überlegungen von Astrid Erll und Ann Rigney zum Themenkomplex mediation / remediation sowie die vielfältigen Arbeiten Aleida Assmanns.