Was ist Spiritualität? Üblicherweise wird sie als etwas höchst Innerliches und Subjektives verstanden, das zugleich auf etwas Überindividuelles (einen Transzendenzbereich) verweist und sich insofern der Beschreib- und Beobachtbarkeit entzieht. Dagegen schlägt dieses Buch eine alternative Betrachtungsweise vor: Spiritualität wird als eine soziale Praxis begriffen und gefragt, wie Spiritualität gemacht wird. Am Beispiel des Yoga wird untersucht, wie Spiritualität für Praktizierende im gemeinsamen beobachtbaren Tun - z. B. in Gesprächen, (Alltags-)Ritualen, Yogaphilosophievorträgen und beim Erlernen der körperlichen Yogaübungen - praktisch erklärbar und verstehbar wird.
In dieser Ethnografie folgt der Autor den Handelnden buchstäblich auf die Yogamatte, nimmt an einer Yogalehrerausbildung im Aschram und an einem Yogafestival in Berlin teil und dechiffriert die ganz eigene Welt und Wirklichkeit des Yoga. Die Analyse folgt dem, was zwischen Menschen geschieht: auf andere bezogene, von anderen erlernte, wechselseitig beobachtete, zum Teil besprochene und gemeinsam vollzogene Tätigkeiten. Das Ziel ist eine Beschreibung der sozialen Praxis der spirituellen Konstruktion von Wirklichkeit, die konventionelle Trennungen - von Körper und Geist, Psychischem und Sozialem, Theorie und Praxis - neu verortet und zeigt, wie die soziale Mitwelt an grundlegenden (Selbst-)Wahrnehmungen, dem körperlichen In-der-Welt-Sein sowie innerlichen Erfahrungen beteiligt ist.
Das Buch leistet einen empirischen und theoretischen Beitrag zur Körper-, Religions- und Interaktionssoziologie, zur qualitativen Methodenentwicklung und Ethnomethodologie sowie zu grundlegenden Fragen der Sozialtheorie. Zudem bietet es als Hybridstudie auch für Praktizierende und Yogalehrende eine praktische Reflexion der Yogapraxis.
Ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis der Universitätsgesellschaft Bielefeld im Jahr 2019!