Das gegenwärtig erst im Aufbau begriffene Untersuchungsfeld einer Theologie des Lebens bedarf einer Erforschung von Marksteinen in der Deutung des Johannesevangeliums. Dabei ist eine grundlegende Erfordernis für eine systematisch-theologische Interpretation des Werkes von Hildegard von Bingen eine dichte Bezugnahme auf die lateinischen Originaltexte. Daher stellt diese Arbeit eine Methodologie für eine vorrangig textimmanente Analyse ausgewählter visiones der Hildegard vor. Dementsprechend werden je vier visiones aus dem Liber Scivias und aus dem Liber Divinorum Operum detailliert nach formalen und stilistischen Kriterien untersucht, um sodann jeweils den theologischen Gehalt der Bildsprachlichkeit für eine Theologie des Lebens zu erheben. Dabei erweist sich der Begriff des Lebens als ein theologischer Knotenpunkt, auf den die Gedankengänge von Erkenntnistheorie, Trinitäslehre, Schöpfungslehre, Gnadenlehre, Soteriologie und Ekklesiologie zulaufen. Die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen werden in einem dritten Schritt in eine innovative Systematisierung das ideengeschichtliche Spielfeldes für den Begriff des Lebens von der Antike bis zu Hildegard eingeordnet, unter besonderer Berücksichtigung der Eriugena-Rezeption.