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Christian Müller wuchs in der psychiatrischen Klinik Münsingen auf, in der sein Vater Max Müller ärztlicher Direktor war. Von klein auf mit psychisch Kranken in direktem Kontakt, schildert er seinen Lebensweg durch die Schweizer Psychiatrie aus unmittelbarer Erfahrung, anschaulich und empathisch. Als Leser ist man erschüttert über die zum grossen Teil trostlosen Verhältnisse in den psychiatrischen Kliniken in den 1940iger und zu Beginn der 1950iger Jahre. Erst allmählich wurden psychotherapeutische, sozialpsychiatrische und pharmakologische Behandlungsansätze ausgebildet, die das Schicksal der Patienten erleichterten. Müller war gemeinsam mit Gaetano Benedetti Pionier in der psychoanalytischen Therapie schizophrener Patienten und in der Einführung sektorisierter Versorgungsstrukturen. Er führte in Lausanne neben der Arbeitstherapie, die Ergo-und Musiktherapie ein. Bescheiden schildert er sein praktisches und wissenschaftliches Wirken, seinen persönlichen und immer am einzelnen Individuum orientierten Einsatz, wie er in der heutigen sogenannten "personalisierten Psychiatrie" kaum mehr zu finden ist.
Christian Müller gibt lebendige Einblicke in den Alltag der Kliniken, die Lebensbedingungen der Patientinnen und Patienten, die Stellung des Pflegepersonals, in kantonale Besonderheiten medizinischer Versorgung, sowie in seine eigenen persönlichen Ambitionen. Er schildert seine Reisen, seinen Austausch mit den Kollegen in den USA, Begegnungen mit vielen und bedeutenden Fachpersonen im In- und Ausland, wobei er nicht mit kritischen Bemerkungen über den autoritär-patriarchalischen Führungsstil spart, den er in Paris und Wien vorfand. Plastisch schildert er seine Arbeit als Assistent und Oberarzt unter Manfred Bleuler in Zürich, der ihn dann später gerne als seinen Nachfolger gesehen hätte; er beschreibt die persönlich geprägte Beziehung zu Hans Steck, seinem Vorgänger in Lausanne; er gibt Einblick in seine Erfahrungen mit der italienischen Reformpsychiatrie und seine ambivalente Beziehung zu deren Gründungsfigur Franco Basaglia.
Christian Müllers Aufzeichnungen sind ein eindringliches und bedeutsames Zeugnis der Reformbestrebungen in der Schweizer Psychiatrie und zugleich der Schweizer Psychiatriegeschichte. Durch sie setzt er auch das Werk seines Vaters Professor Max Müller fort, der nach seiner Direktion in Münsingen von 1954 bis 1963 Ordinarius für Psychiatrie und Klinikdirektor in Bern war und der selbst seine Autobiographie 1982 unter dem Titel "Erinnerungen. Erlebte Psychiatriegeschichte 1920-1960" publizierte.