Im Nachlaß von Peter Weiss fand sich ein abgeschlossenes Typoskript dem der 1982 gestorbene Autor den Titel Rekonvaleszenz gegeben hatte. Dieser Titel bezieht sich auf die persönliche Situation von Peter Weiss in der Mitte des Jahres 1970, als er, wie er es formulierte, »an die Grenzlinie«, an die Grenze des Todes, geriet; für ihn der Anlaß, eine Summe seines bisherigen Lebens als Schriftsteller zu ziehen: Die Veränderungen in seinem Schreiben, von den eher autobiographisch-surrealistischen Anfängen bis zu den objektiv dokumentierenden Theaterstücken, sein politisches Engagement selbstkritisch zu prüfen, auch auf seine Konsequenz für sein Werk. Aber nicht nur Anlaß zum »Rückblick« war diese Zwischenzeit, sondern sie brachte auch neue Formen der Wahrnehmung mit sich: »... geriet ich in ein Nachtleben, in dem meine sonstigen Vorsätze zum vernünftigen, verantwortungsvollen Reagieren rücksichtslosem Spott ausgesetzt wurden. Mein Umgang bestand hier vor allem aus Prostituierten, Spielern, Zirkusartisten, Komödianten, aus Unzugehörigen, Außenseitern, Gescheiterten, in einer eigentümlichen Unterwelt, einer Art Totenreich.«
Durch die täglichen Eintragungen, in denen Rückblick und Gegenwart sich verschränken, hat Peter Weiss einen einzigartigen Text geschaffen - indem er sich selbst, sein Schreiben, seine Nacht- und Tagträume in luzider Weise erzählt und durch sein Erzählen sie sich und dem Leser aufhellt.